Digitalis

„In der in „Neue Ufer“ erwähnten segmentierten Studie fand ich Möglichkeiten ästhetische Aspekte der Digitalisierung in meine Arbeit zu integrieren. Doch anstatt schwarzer Farbe fing ich an die Arbeiten mit der Kreissäge zu segmentieren. Dieses Porträt von „http://www.thomas-richartz.de/kontakt.html“ Thomas Richartz“ ist das erste „Digitalis“-Bild. Etwa ein Jahr vorher hatte ich ein unspektakuläres Porträt von Thomas angefertigt. Ich war damit unzufrieden. Es fühlte sich an wie Rohmaterial. Also zersägte ich es. Ursprünglich wollte ich nur eine Frequenz erzeugen, doch als die Streifen vor mir lagen verschob ich sie und ich realisierte das Potential dieser Ästhetik. Das war für mich ein besonderer Moment. Es führte mich in Richtung OP-Art und half mir einen neuen Zugang zu den kombinierten Gesichtern in den Arbeiten meines Lehrers „“http://www.dietmargross.com/“ Dietmar Gross“ zu finden. Außerdem konnte ich hiermit das „normale“ streng rechteckige Format angreifen und auflösen.“

„Der Holz-Bildträger ermöglicht es mir, anders als aufgespannte Leinwand, allerhand mit dem Bildformat anzustellen. Mir wurde zunehmend bewusst, dass diese Art der Manipulation analoge Züge zur digitalen Bildbearbeitung aufweist. Digitalisierung bedeutet eine Reduktion der komplexen Wirklichkeit in ein bodenloses System aus 0 und 1. Die obige Arbeit hat kein festes Außenformat. Sie besteht aus 64 gleich großen Holzflächen zu 8 x 8 cm mit Neodym-Magneten auf ihren Rückseiten. Wird die Wand mit Magnetfarbe bestrichen sind diese Elemente frei beweglich.“

„Mit diesen Segmenten konnte ich nun auch einen Schritt in Richtung Datenschutz und Widererkennbarkeit gehen. Oben ist eine schlussendlich fotorealistische Darstellung einer sehr berühmten Person. Und bisher konnte sie niemand erkennen.“

„Eigentlich hätte dieses Portait auch zersägt werden sollen. Es ist der Vater eines sehr guten Freundes. Ich wollte abwechselnd jedes der 1,5 cm breiten Segmente auf zwei verschiedene Bildträger schrauben. Bild A hätte mein Freund und Bild B seine Schwester bekommen. Ich hätte das wegen der Analogie zur DNA getan. Doch schlussendlich haben wir das Zersägen nicht übers Herz gebracht… Im Nachhinein denke ich, dass es in der „Digitalis“-Reihe ganz schön ist, ein Zitat aus dem Fotorealismus der 70er zu haben und es in Beziehung zu den Prozessen der Digitalisierung zu setzen.“

„Mein Werkzeugkasten wächst und wächst. Die Oberfräse erlaubte mir einen unerwartetes Flashback zur Blauen Blüte! Die Transzendenz dieser zu großen Teilen weggefrästen Arbeit ist auf dem Foto nicht wirklich nachvollziehbar. Sie hat eine ganz besondere Aura. Dieses Bild hat über sieben Jahre gebraucht und beinhaltet viel von dem was ich damals versuchte umzusetzen.“

„Ad-Busting und die Auseinandersetzung mit Werbung schwebte mir seit den grafischen Experimenten von Utopia im Kopf herum. Die Ambivalenz einer gescheiterten Werbefigur wie „Ronald McDonald“ nutzte ich für den Wettbewerb der „Sparkasse Karlsruhe „2020, mit dem Title „Witz und Ironie“. Witzigerweise erfuhr ich, dass die meisten Besucher „Ronald McDonald“ nicht kannten. „ES“, nach „Stephen King“ jedoch sehr wohl.“

„Die Segmentierung der Marke ermöglicht ein Arbeiten mit ihr als ästhetisches Material. In der Beschädigung der Integrität der Marke wird ihre Funktionalität als Werbung geschwächt und sie erfährt eine ästhetische Aufwertung und wird zur Möglichkeit.“

„Mir wurde klar, dass die Generation meines Vaters zu großen Teilen seit über 40 Jahren dem Marlboro-Mann ähnelt.

So wie die Werbung ästhetische Grundprinzipien für ihre Zwecke nutzt, macht es doch auch Sinn die Werbung selbst wieder dem ästhetischen Zweck zuzuführen. So eine Art Recycling. Es wäre gemein daraus wiederum Werbung zu machen.“